Bildmotiv nach Filmstill aus der Bayreuther Lohengrin Inszenierung von Hans Neuenfels © Björn Verloh

HELMUT OEHRING

SEHNSUCHT WAGNER
Ich will manipuliert werden.
Wagner ist einer der größten Manipulatoren. Zauberer.
Aber ich meine nicht dieses doofe hirnlose = Hirn + Seele
schädigende Manipulieren.
Sondern das, was am Ende hellsichtig macht.

Die Apokalypse, die Wagner visioniert, ist eine Parabel:
Überall gültig. Hier und dort.
Jetzt. Gestern und Übermorgen.

Private Tragödien und die gesellschaftliche Entwicklung sind ineinander verzahnt.
Wer nur seine eigene kleine Welt in der Kunst sucht, wünscht sich, dass sie sich anfühlt wie eingeschlafene Füße.

In diesem Sinne war Wagner das Gegenteil
von geistig arm und verblödet.
Und das Gegenteil von Logik:
starke tiefe Poesie.

Bei Wagner geschehen unendliche Mengen geheimnisvoller unsichtbarer Dinge.
Die nur berührt werden müssen.
Und alles gerät in Bewegung wie bei einem Erdbeben.

Wagner war ein Profiler.
Die zentrale Energie, die von Wagners Arbeiten ausgeht, kreist um ein Wort:
SEHNSUCHT
Kampf gegen den Tod der Seele.
Gegen Materialismus.
Gegen die Lieblosigkeit.

Wagner feiert Feste.
Bricht alle Lanzen für das Singen als künstlichste existentiellste Form menschlichen Ausdrucks.
Seine Opern sind hochstilisierte Artefakte.
Verwandlungen des Raumes in zeitlose Stimmen/Gesänge.
Er gibt Sprache und Gesang ihre Sinnlichkeit zurück: den Körper.

Wagner ist der melodramatisch Stille
unter den Komponisten.

WAGNER
rituelle Geste
Tanz
Opferung
Ahnung
Liebkosung
Züchtigung
pompöse Ekstase
Geheimnis
Ernst
Obsessionen
Gesichte
Todesnot
Angst
All das, was der Oper verloren gegangen ist.
Kitsch gehört ausdrücklich und generell zur Oper.
Wagner ist ein Meister der besonderen Art Überhöhung in eine große Ästhetik.

Helmut Oehring, 2012



Abbildung: Hagen Klennert, Das Vermächtnis der Braut
(Walküre), 2012, Zeichnung, Kohle, Kreide, Ölfarbe auf
Papier, 120 x 78 cm. Ausgewählt von Helmut Oehring
für dieses Blatt. © VG Bild-Kunst, Bonn 2012


HELMUT OEHRING
wurde 1961 in Ost-Berlin geboren. Als Gitarrist und Komponist Autodidakt, war er 1992–1994, nach Konsultationen bei André Asriel, Helmut Zapf und Friedrich Goldmann, Meisterschüler von Georg Katzer an der Akademie der Künste, Berlin, 1994/95 Stipendiat an der Villa Massimo in Rom, zahlreiche Auszeichnungen für sein Schaffen, das heute rund 260 Werke nahezu aller Genres umfasst. Oehrings Kompositionen und Produktionen werden in Europa, Asien und Nordamerika aufgeführt. In jüngster Zeit wirkte er auch als Dirigent und Regisseur eigener Werke. Im September 2011 erschien Helmut Oehrings Autobiografie Mit anderen Augen. Aktuell komponiert er die Opern SehnSuchtMEER oder Vom Fliegenden Holländer für die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf (UA März 2013), Asche-MOND oder The Fairy Queen für die Staatsoper Unter den Linden, Berlin (UA Juni 2013) sowie eine Filmmusik zu F. W. Murnaus Stummfilm Sunrise a Song of Two Humans von 1927 (UA Herbst 2013 im Cinema Capitole Lausanne). Mitglied der Akademie der Künste seit 2005.
Wagner-Arbeit: SehnSuchtMEER oder Vom Fliegenden Holländer, Oper nach Der Fliegende Holländer von Heinrich Heine und Richard Wagner, Libretto Stefanie Wördemann mit Texten von Heinrich Heine, Richard Wagner, Mathilde Wesendonck, Hans Christian Andersen und Helmut Oehring, Uraufführung am 8. März 2013 Deutsche Oper am Rhein
Düsseldorf Duisburg.
www.helmutoehring.de



 


In der Ausstellung
Videogespräch
Veranstaltung
15.1.13, 17 Uhr
● SEHNSUCHT WAGNER?
Gespräch über Helmut Oehrings Oper SehnSucht- MEER oder Vom Fliegenden Holländer
Mit Helmut Oehring, Stefanie Wördemann, Claus Guth, Christian Schmidt, Hella Bartnig