History is Listening. Re-Sonifying Nuremberg
Was kann die Wahrnehmung von Sound zur Reflexion von Geschichte beitragen? Wie können Perspektiven auf die Geschichte mittels Klang erweitert und verschoben werden? Der Wissenschaftler, Autor und Klangkulturexperte Louis Chude-Sokei machte das ehemalige Nürnberger Reichsparteitagsgelände zusammen mit internationalen Musiker*innen zum Gegenstand eines akustischen Experiments. Er lud die Klangkünstlerin Yara Mekawei, den Künstler und Musiker Jan St. Werner, die Sängerin Hani Mojtahedy, die Violinistin Gascia Ouzounian u.a. ein, das Echo des historisch vorbelasteten Areals zu erkunden und künstlerisch zu reflektieren.
Auf dem elf Quadratkilometer großen Gelände, auf dem die NSDAP zwischen 1933 und 1938 ihre Reichsparteitage inszenierte, leistet seit 2001 das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände wichtige Bildungs- und Aufklärungsarbeit. Bisweilen finden hier allerdings auch Großveranstaltungen statt, die den historischen Kontext des Geländes bewusst außer Acht lassen. Das Projekt zielte darauf ab, durch performative Wahrnehmung, Klanginstallationen und Texte neue künstlerische Perspektiven auf den Ort zu eröffnen. Verbunden mit ortsspezifischen Musik- und Klangperformances präsentiert die Gruppe ihr Projekt in der Akademie der Künste.
Begleitprogram zur Ausstellung MACHT RAUM GEWALT. Planen und Bauen im Nationalsozialismus
Michael Akstaller ist bildender Künstler, Forscher und Performer. Seit 2017 ist er an der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe tätig. Gemeinsam mit Jan St. Werner initiierte er die Klasse für Dynamische Akustische Forschung an der AdBK Nürnberg. 2022 begann er ein hydroakustisches Forschungsprojekt über den Einfluss von Schall auf das Wanderverhalten von Fischen in der Elbe. In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Akstaller mit den Beziehungen zwischen Klang und Raum und erforscht Methoden zur Erweiterung der Raumwahrnehmung durch gerichtete Schallquellen.
Louis Chude-Sokei ist Wissenschaftler und Autor. Zu seinen Veröffentlichungen gehören The Last Darky: Bert Williams, Black on Black Minstrelsy and the African Diaspora (2005) und The Sound of Culture: Diaspora and Black Technopoetics (2015) sowie die Autobiographie Floating in A Most Peculiar Way (2021). Seine Essaysammlung Technologie Und Race: Essays der Migration (2023) wurde kürzlich auf Deutsch veröffentlicht. Er ist Professor für Englisch und Direktor des Programms für afroamerikanische Studien an der Boston University. Außerdem ist er Chefredakteur von The Black Scholar, der ersten Zeitschrift für Black Studies in den Vereinigten Staaten, und Gründer des Klangkunst- und Archivierungsprojekts Echolocution.
Yara Mekawei ist eine Klangkünstlerin und Wissenschaftlerin. Ihre Klangarbeiten sind inspiriert vom dynamischen Fluss urbaner Zentren und städtischer Infrastruktur. Sie interessiert sich für Architektur, Sozialgeschichte und philosophische Literatur; ihre Arbeit basiert auf Klang als einem wesentlichen Werkzeug des Sehens. Ihre Praxis ist forschungsbasiert und stellt eine enge Verbindung zwischen den Ideen mythischer Vergangenheit und den Technologien der ewigen Gegenwart her. Derzeit arbeitet sie an einer Klangkomposition, die auf der Sufi-Philosophie und der Methodik des Totenbuchs basiert. Durch ihre Forschung vereint Mekawei ihre Arbeiten, die die nicht greifbaren Aspekte ihrer kulturellen Identität und ihrer Weiblichkeit aus und in einer ostafrikanischen Gesellschaft offenbaren.
Hani Mojtahedy ist eine Künstlerin und Sängerin aus der iranischen Provinz Kordestân, seit 2004 lebt sie in Berlin. Sie hat zahlreiche Tonträger und Musikvideos veröffentlicht und ist mit ihrer Mischung traditionellen persischen Gesangs und kurdischen Texten mit verschiedenen Genres der populären Musik in Fernsehshows, bei Konzerten und Festivals auf der ganzen Welt aufgetreten. Sie arbeitete mit dem Bundesjugendballett und dem Tschechischen Nationalen Symphonieorchester für die von Dilshad Said komponierte kurdische Symphonie "Peshmerga“ zusammen. Aufgrund ihres langjährigen Engagements für die Menschen in Kurdistan und an der iranisch-irakischen Grenze wählte die Middle East Sustainable Peace Organization (MESPO) sie während des Internationalen Kurdischen Friedenskarnevals zum "Symbol des Friedens im Nahen Osten".
Gascia Ouzounian ist außerordentliche Professorin für Musik an der Universität Oxford, wo sie das vom Europäischen Forschungsrat finanzierte Projekt Sonorous Cities: Towards a Sonic Urbanism leitet. In ihrer Arbeit als Historikerin, Theoretikerin und Praktikerin befasst sie sich mit Klang im Zusammenhang mit Raum, Urbanismus, Technologien und Gewalt. Sie ist die Autorin von Stereophonica: Sound and Space in Science, Technology, and the Arts (2021) und zahlreicher Artikel in Fachzeitschriften für visuelle Kultur, Musik, Sound Studies und Architektur. Zu den jüngsten Projekten gehören „Scoring the City“, das experimentelle Notationen für die Stadtgestaltung erforscht, und „Acoustic Cities: London & Beirut“.
Jan St. Werner ist Gründungsmitglied der Musikgruppe Mouse on Mars und veröffentlicht Soloarbeiten auf seinem eigenen Fiepblatter-Katalog (Thrill Jockey Records). In den 1990er und frühen 2000er Jahren war er Teil des Kölner Kollektivs A-Musik, arbeitete mit Markus Popp (Oval) als Microstoria, entwickelte Musik für Installationen und Filme der bildenden Künstlerin Rosa Barba und war künstlerischer Leiter des STEIM (Amsterdam). Er schuf Klanginterventionen und Ausstellungen u.a. für das ICA London, die documenta 14, die Kunsthalle Düsseldorf, die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, das HKW Berlin oder das Lenbachhaus München. Werner war Gastdozent am MIT-Programm für Art, Culture and Technology, Professor für Dynamische Akustische Forschung an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und Gastprofessor für Sound und Performance an der Akademie der Bildenden Künste in München.