Memories in Music Outdoor – Parcours
Auf einem Parcours im nischenreichen Außenraum der Akademie der Künste am Hanseatenweg sind audiovisuelle Installationen und Live-Auftritte von Musiker*innen inszeniert, unterbrochen von Konzertinterventionen vom Dach der Akademie der Künste mit Tony Buck & Tony Elieh, Ute Wassermann & Sabine Vogel und anderen.
Audiovisuelle Installationen und Live-Auftritte
Station 1 | Avant Joik
Station 2 | Leichhardt in Australien
Station 3 | Unearth
Station 4 | Dialoge
Station 5 | Doppelbelichtung
Station 6 | Oase Siwa - Kärwa
Station 7 | Anestesia
Station 8 | Naturvölker
Station 9 | Life is Impossible without Forgetting
Station 10 | Sinfonia dos Ares
Station 1 | Avant Joik
In Avant Joik verbinden sich zwei grundverschiedene Weisen, mit Stimme zu arbeiten, Stimme zu denken, Stimme zu imaginieren. Für die Samin Katarina Barruk, die in ihrer mittlerweile durch die UNESCO geschützten Muttersprache Ume Sámi singt, sind Bilder, Geschichten und Gefühle Ausgangspunkte ihrer vorstellungsreichen Joik-Improvisationen. Maja S. K. Ratkjes experimentelle Vokalperformances andererseits entstehen im Bewusstsein der Vielfältigkeit und freien Gestaltbarkeit von Stimme. Avant Joik spricht – in einer neuen Filmversion mit dem samischen Videokünstler Matti Aikio – auch vom Unrecht an den Samen, ihrer Kultur und ihren Wissens- und Lebensformen.
Maja Solveig Kjelstrup Ratkje, Katarina Barruk, Matti Aikio: Avant Joik (2018, Filmfassung 2021, UA)
dreiteilige Komposition für Stimmen, Elektronik und Video
+ digital ab 7. Mai 2021, 20 Uhr
Station 2 | Leichhardt in Australien
Die Expeditionen des brandenburgischen Naturwissenschaftlers Ludwig Leichhardt im 19. Jahrhundert haben – wie auch zahlreiche koloniale Besiedlungsinitiativen – im von indigenen Gemeinschaften bewohnten Norden Australiens tiefe Spuren hinterlassen. Der komplexen Begegnung von indigenen und westlichen Wissenssystemen, Kulturen und Lebensweisen und der Aufarbeitung kolonialer Strukturen sowie der Sichtbarmachung indigener Kultur widmen sich die beiden Uraufführungen von Kirsten Reese und Erkki Veltheim. Kirsten Reese beschreibt in einem vielschichtigen, vier Formate verbindenden Material- und Klanggewebe ihren langen Forschungs- und Lernprozess, der zu einer Neuausrichtung und einem erweiterten Verständnis des (Zu-)Hörens führt. Erkki Veltheim lässt aus zeitlich-räumlichen Begegnungspunkten zwischen Leichhardt, Wagner, drei Baritons, drei australischen Eulenarten und Daniel Wilfred, einem Songman des Wägilak-Clans aus Ngukurr, einen ebenenreich verflochtenen musikalischen Dialog entstehen, durch den sich Parallelwelten öffnen und Verwandlungen ermöglichen.
Kirsten Reese: Cobourg Nets (2020/21, UA) für Schlagzeug, Harfe, Flöte und Klarinette mit Field Recordings
Kompositionsauftrag der Akademie der Künste, Berlin
Projektentwicklung 2019/20: in Kooperation mit der Nan Giese Gallery at Charles Darwin University in Darwin, Australien; Recherchereise 2019 finanziert durch ein Aufenthaltsstipendium des Goethe-Instituts, Arbeitsstipendium der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa 2019
Erkki Veltheim, mit Daniel Wilfred: October 19th, 1845. An Idyll for three dead baritones and ensemble, with Yolngu manikay obbligato (2020, UA) Ein Idyll für drei tote Baritons und Ensemble, mit Yolngu manikay obligato
Kompositionsauftrag der Akademie der Künste, Berlin
mit Ensemble Adapter (Kristjana Helgadóttir, Flöte; Ingólfur Vilhjálmsson, Klarinette; Gunnhildur Einarsdóttir, Harfe; Matthias Engler, Schlagzeug)
+ digital ab 6. Mai 2021, 20 Uhr
Station 3 | Unearth
Als Überblendung von Erfahrungswelten, multi-disziplinär mit mechanischen Instrumenten, Kostümen, naturhaften Videobildern, Schlagzeug und Gitarre, Bewegung und Inszenierung, kreiert der Schlagzeuger Tony Buck in Unearth ein Szenario, in dem er Ausgrabungen seines künstlerischen Handelns rituell und (während des gesamten Zeitraums 7.–9.5.) live zusammenführt.
Tony Buck: Unearth, Solo mit Schlagzeug, Gitarre, Objekten, Video (Neue Version für den Außenraum der Akademie der Künste, 2021)
Mit Tony Buck
Station 5 | Doppelbelichtung
Wie bei einer fotografischen Doppelbelichtung verschmelzen zwei Realitäten zu einer: Carola Bauckholt ahmt in ihrer Konzertinstallation tief in der Erinnerung verankerte Naturlaute instrumental nach. Spezifische Vogelrufe werden auf in einem großen Baum hängende Violinen übertragen, zu denen die Violinistin Karin Hellqvist am 7./8.5. ab und an live in einen ununterscheidbaren Dialog tritt.
Carola Bauckholt: Doppelbelichtung (2016) für Violine und Zuspiel
Mit Karin Hellqvist, Violine
Station 6 | Oase Siwa - Kärwa
In der Miniatur Ga’s doppelt die Oboe die Kontur einer Tonaufnahme, die Walter Zimmermann 1976 in der ägyptischen Oase Siwa machen konnte. Sie ist Teil des unvollendeten Projektes Insel Musik, das das Multiverselle und Universelle naturbedingter und von Menschen gemachter Insel-Kulturen verdeutlichen sollte. Ga’s wird im Wechsel mit Zimmermanns fränkischen Kärwa Melodien (1979) für zwei Klarinetten aus dem Zyklus Lokale Musik über Kopfhörer hörbar.
Walter Zimmermann: Ga’s (1976) für Oboe und Zuspiel
Simon Strasser, Oboe
Walter Zimmermann: 25 Kärwa-Melodien (1979), substituiert für zwei Klarinetten (Aufnahme mit Michael Riessler und John Corbett, 2019)
Stationen 4 + 7 + 10 | Brasilien – Europa
Das Festival macht bekannt mit Guilherme Vaz und Walter Smetak, den beiden zentralen Vertreter der ersten Generation brasilianischer Klangkunst zwischen europäischer und indigener Ästhetik. Walter Smetaks meist grafische und farbige Partituren, darunter die hier als Filmscore interpretierte Anestesia von 1971, inkorporieren wie seine über 150 erfundenen Musik-Instrumente Bewegungsformen und Symbole, die beeinflusst sind von diversen kulturellen und spirituellen Praktiken in Salvador de Bahia. Sinfonia dos ares ist eine der „long durational“ Studio-Kompositionen von Guilherme Vaz, die durch den intensiven, über 20-jährigen Kontakt mit indigenen Klangvorstellungen im Westen Brasiliens geprägt sind, in der Akademie präsentiert als Installation mit mechanisch bewegten indigenen Maracas. Bereits aus den 1970er Jahren stammt die Kompositionsidee von Thomas Kessler, zwei unterschiedliche Musiktraditionen über Live-Elektronik in einen gleichwertigen Klang-Dialog zu stellen. Zu Gehör kommt in einer audiovisuellen Produktion eine neue Version mit westlichen Instrumenten und erfundenen Instrumenten Smetaks, dessen Kosmos Kessler Ende der 1990er Jahre kennenlernte, gespielt von Musikern des Ensemble Modern und Silvia Ocougne, auch einige ausgestellte Smetak-Instrumente live bespielt (8.5 und 9.5.2021 nachmittags).
Station 4 | Thomas Kessler: Dialoge (1977, 2021 UA), neue Fassung für 2 europäische Instrumente, 2 Smetak-Instrumente und Vocoder
Audiovisuelle Produktion
+ digital ab 8. Mai 2021, 20 Uhr
Mit Ensemble Modern (Eva Böcker, Violoncello; Jagdish Mistry, Smetak-Instrumente; Dietmar Wiesner, Flöte); Silvia Ocougne, Smetak-Instrumente
Sébastien Vaillancourt: Entwicklung Vocoder, Tonmeister
Mit freundlicher Unterstützung der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia
Die verwendeten Replikate der Smetak-Instrumente wurden vom Ensemble Modern für das Projekt zur Verfügung gestellt
Station 7 | Walter Smetak: Anestesia (1971) für 10 Musiker*innen
realisiert als Filmpartitur von Marco Scarassatti und Luiz Pretti
Audiovisuelle Produktion
+ digital ab 8. Mai 2021, 20 Uhr
Marco Scarassatti: Konzept, musikalische Leitung
Mit Musikern des Ensemble N.N., Belo Horizonte
Marco Scarassatti, Luiz Pretti: Audio und Video
Nutzung der Originalpartitur von Walter Smetak mit freundlicher Genehmigung der Familie Smetak, Salvador de Bahia
Station 10 | Guilherme Vaz (1948–2018): Sinfonia dos Ares (2002) für Trompete, Fagott, 2 Kontrabässe, 6 Maracas
realisiert als 4-Kanal-Installation mit mechanisch betriebenen indigenen Maracas
Livio Tragtenberg: Konzept, musikalische Leitung
Erick Ariga, Fagott; Emerson Boy, Trompete; Cleber Castro, Kontrabass; Walter Muller, Kontrabass
Sebastian Schlemminger: Entwicklung und Bau der mechanischen Maracas
Station 8 | Naturvölker
Anhand von vier Themen – Schöpfungsmythen, Invasion/Migration, Technologie und Inkarnation – erkundet der bolivianische Komponist Carlos Gutierrez in Klang, Text und Bewegung das Verhältnis zwischen der sogenannten zivilisierten und primitiven Gesellschaft und stellt die Vorstellung einer Trennung von Natur und Kultur bei den Kolonisatoren im Gegensatz zu indigenen Gesellschaften grundsätzlich in Frage. Der audiovisuellen Installation mit dem bolivianischen Kammerensemble des Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos (ECOEIN) begegnen gelegentlich in Live-Interventionen die Echtzeitmusikerinnen Ute Wassermann und Sabine Vogel sowie der Musiker Jorge Villaseca und die Tänzerin Sharon Mercado.
Carlos Gutiérrez: Naturvölker (2019/20, UA) für indigene Instrumente, Video, Tanz, Stimme und Flöten
Realisiert als audiovisuelle Installation mit Live-Momenten
+ digital ab 9. Mai 2021, 19 Uhr
Carlos Gutiérrez: Musikalische Leitung
Mit dem Kammerensemble des Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos (ECOEIN; Carlos Gutiérrez, Andrea Alvarez, Tatiana López, Romina Quisbert) und live Ute Wassermann, Stimme, Vogelflöten; Sabine Vogel, Flöten; Jorge Villaseca, indigene Instrumente; Sharon Mercado, Tanz
Video und Ton: Gilmar Gonzales, Mauricio Quiroga, Carlos Gutiérrez
In Kooperation mit dem Berliner Künstlerprogramm des DAAD und dem Goethe-Institut La Paz
Station 9 | Life is Impossible without Forgetting
Der Elektroniker und E-Bassist Tony Elieh sieht im Vergessen eine Chance, der immer wieder der Zerstörung ausgesetzten libanesischen Stadt Beirut zu entkommen. In seiner für eine Betontreppe des Akademie-Gebäudes konzipierten Klanginstallation geht er von einem Jingle aus, der im Bürgerkrieg (1975–1990) die Nachrichtensendung im christlichen Ostteil Beiruts ankündigte, rekonstruiert als Summe akustischer Erinnerungen in seinem Freundeskreis.
Tony Elieh: Life is Impossible without Forgetting (2021) 6-Kanal Klanginstallation
Im Rahmen des Stipendiums „Weltoffenes Berlin“ des Berliner Senats