"Wohin stürmst du, Russland?" Literatura – ein russisch-deutscher Dialog

Lesung und Diskussion

In der Mitte des 19. Jahrhunderts rechnet der russische Schriftsteller Nikolai Gogol in seinem satirischen Roman „Tote Seelen“ mit der politischen Situation in Russland ab. Und heute? Im Russland des 21. Jahrhunderts gehen Schriftsteller auf die Straße und äußern in Protestkundgebungen ihren Unmut über Wahlfälschungen, Amtsmissbrauch und kulturelle Verelendung. So auch die junge Autorin Natalja Kljutscharowa: „Jetzt wissen wir, dass dies unser Land ist, dass wir es in der Hand haben.“ Neue, jüngere Stimmen melden sich zu Wort, aber auch die etablierten Autoren.

Bei „Literatura“ werden in Debatten, Gesprächen und Lesungen Autoren vorgestellt, die die aktuelle literarische und politische Diskussion in Russland prägen.
Mit Ljudmila Ulitzkaja, Lew Rubinstein, Zakhar Prilepin, Natalja Kljutscharjowa, Julia Kissina, Maria Stepanowa, Andrej Bitow, Wassili Golowanow, Ingo Schulze, Monika Rinck u.a.

Mit freundlicher Unterstützung der Bundeszentrale für Politische Bildung


Programm
(mit Simultanübersetzung)

18 Uhr
Lesung
Ljudmila Ulitzkaja aus "Das grüne Zelt"
Einführung und Gespräch mit Wilfried F. Schoeller
Lesung aus der deutschen Übersetzung

Ljudmila Ulitzkaja, geboren 1943 in Baschkirien, ist die Grande Dame der russischen Gegenwartsliteratur. Nach ihrer Entlassung als Biologin wegen Verbreitung von Samisdat-Schriften etablierte sie sich in den 1980er Jahren als freie Autorin. Mit der Veröffentlichung von "Sonetschka: eine Erzählung" (1992) erlangte sie Bekanntheit als Prosaautorin. Seitdem wurden fast alle ihre Werke ins Deutsche übertragen, darunter "Medea und ihre Kinder" (1997), "Die Lügen der Frauen" (2003) sowie "Daniel Stein" (2009). Ulitzkaja erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Prix Médicis (1996) und den Prix Simone de Beauvoir (2011). In ihrem im Hanser Verlag erschienenen jüngsten Romanepos "Das grüne Zelt" (2012) – übersetzt von Hanna-Maria Braungardt - zeichnet sie ein Porträt der um neue Lebensformen ringenden, sowjetischen "Intelligenzija" und der Dissidentenbewegung von Stalins Tod 1953 bis zu den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Dieses Opus Magnum ist auch der Versuch, gegen eine Tendenz in Russland anzuschreiben, „den Namen oder die Persönlichkeit Stalins wiederzubeleben“, wie sie in einem Interview darlegte.

19.30 Uhr
Podiumsgespräch     
(in deutscher Sprache)
"An den Grenzen des Imperiums: Autoren aus den Nachbarländern und ihre Sicht auf Russland"
mit Laurynas Katkus, Sergej Moreino, Jurko Prochasko, Adam Zagajewski
Gesprächsleitung Olaf Kühl
Wie wird der ehemalige "Große Bruder" aus der Sicht der Nachbarländer betrachtet? "Ich will Russland doch lieben" – hat Juri Andruchowitsch einmal sein Verhältnis zu Russland formuliert. Trifft das auch auf seine  Kollegen Adam Zagajewski aus Polen, Laurinas Katkus aus Litauen, Jurko Prochasko aus der Ukraine und Sergej Moreno aus Lettland zu? Ist ein demokratischer Wandel in Russland nur schwer vorstellbar, weil dort der "homo democraticus naturalis nicht existiert", wie Laurinas Katkus in seinem neuesten Essay "Moskauer Pelmeni" schreibt?
Laurinas Katkus, geb. 1972 in Vilnius, wo er heute noch lebt. Lyriker, Essayist, Prosaautor, auch in deutscher Übersetzung. Berlin-Stipendium der Akademie der Künste 2013.
Jurko Prochasko, geb. 1970 im ostgalizischen Iwano-Frankiws’k, lebt in Lemberg. Germanist, Übersetzer, Essayist, und Ausstellungskurator. Korrespondierendes Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste.
Sergej Moreno, geb. 1964 in Moskau,  siedelte 1987 nach Lettland über, wo er bis heute bei Riga lebt. Übersetzer, Lyriker und Übersetzer (u.a. Czesław Miłosz, Paul Celan und Durs Grünbein).
Adam Zagajewski, geb. 1945 in Lemberg, wo er auch heute wieder lebt. Lyriker, Essayist und Prosaautor. Mitglied der Akademie der Künste.


21 Uhr
Lesung
Lew Rubinstein und Maria Stepanowa im Gespräch mit Monika Rinck

Lew Rubinstein, geboren 1947 in Moskau, ist Lyriker und Essayist. Nach seinem Studium der Philologie arbeitete er lange Jahre als  Bibliothekar. Durch seine Arbeit mit den Bibliothekskärtchen entwickelte er seit Mitte der 1970er Jahre ein eigenes minimalistisches  Genre, die "Kartothek". Rubinstein ist einer der Begründer des russischen Konzeptualismus. Er war an zahlreichen Lyrik- und Musikfestivals, Kunstausstellungen und Performances beteiligt. Seine Texte sind in alle großen europäischen Sprachen übersetzt. Rubinstein wurde mit dem Andrei Bely Preis 1999 und dem "NOS-2012" geehrt. Eine seiner jüngsten Veröffentlichungen ist der Essayband "Duchi vremeni" (übersetzt: Zeitgeister), 2008. In deutscher Übersetzung erschien 2003 im Verlag Helmut Lang seine Kartothek "Programm der gemeinsamen Erlebnisse". Er wird Texte aus seiner Kartothek im Wechsel deutsch/russisch mit der Dichterin und Essayistin Monika Rinck, lesen.

Maria Stepanowa, geboren 1972 in Moskau, gehört zu den wichtigsten russischen Gegenwartslyrikerinnen. Sie studierte am Moskauer Literaturinstitut und arbeitete für verschiedene Medien, bis sie 2007 Chefredakteurin von Openspace.ru wurde. Ihre Gedichte erschienen in allen wichtigen russischen Internetportalen und Zeitschriften. Sie wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter mit dem Hubert-Burda-Preis 2006. Stepanowas Lyrik, die in viele Sprachen übertragen wurde, ist gleichzeitig modern und zeitlos, ihre Sprache äußerst markant: Worte werden auf verschiedenen Ebenen so weit verformt, dass sie einen neuen Sinn offenbaren. Maria Stepanowa war Stipendiatin des Joseph Brodsky Memorial Fellowship Fund. Ihr jüngster Gedichtband "Kirejewski" erschien 2012. Ihre Gedichte sind bisher nicht auf deutsch übersetzt.

Programmflyer (pdf-Dokument zum Download, 4 MB)

Freitag, 19.4.2013

18 Uhr

Pariser Platz

Plenarsaal

Lesung und Gespräch mit Ljudmila Ulitzkaja, Lew Rubinstein, Maria Stepanowa, Monika Rinck.

Gespräch „An den Grenzen des Imperiums“ mit Laurynas Katkus, Jurko Prohasko, Sergej Moreino und Olaf Kühl.

€ 10/5