4.9.2019
Wilhelm Dieter Siebert-Archiv in der Akademie der Künste
Die Akademie der Künste hat den Nachlass des Komponisten Wilhelm Dieter Siebert übernommen, der mit seiner Oper Untergang der Titanic vor 40 Jahren Berliner Musiktheater-Geschichte schrieb. Gerade wurde das Opernspektakel wieder in Altenburg werkgetreu aufgeführt und ist vom 6. bis zum 8. September 2019 im Theater Gera zu erleben.
Wilhelm Dieter Siebert (1931–2011) begann seine musikalische Laufbahn zunächst als Jazzmusiker, studierte Klarinette und belegte Zwölftonmusik-Kurse bei Joseph Rufer. Kompositionsstudien absolvierte er bei Wolfgang Fortner.
Als Mitglied der 1965 gegründeten „Gruppe Neue Musik Berlin“ leistete er einen bedeutenden Beitrag zum Berliner Musikleben; die Gruppe erhielt 1978 den Kunstpreis Berlin der Akademie der Künste. Sieberts vielfältiges Werk, gekennzeichnet durch Experimente mit Jazzmusik und Elektronik, umfasst Kammermusik, Opern und Ballette. Film- und Theatermusik komponierte er vor allem für gesellschaftskritische Projekte. Sein humorvoll-satirischer Ansatz kann u.a. auch von Titeln wie 32 Meter unter der Oper, Bleistaubkantate, Plastik-Arie, Cello on Ice oder dem Rondeau de Blech abgeleitet werden. Für seine Verdienste um die Neue Musik und sein soziales Engagement erhielt er 2001 das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Das Wilhelm Dieter Siebert-Archiv enthält Autographen, Klavierauszüge, Orchesterstimmen sowie Skizzen, Manuskripte und Arrangements, Tonbänder und Konzertmitschnitte seines umfänglichen Instrumental- und Bühnenschaffens, darunter auch die Werke, die im Kontext der „Gruppe Neue Musik Berlin“ entstanden sind. Vollständig vorhanden sind beispielsweise die Autographen und Skizzen seiner Komposition 100 bzw. 1000 Meisterwerke (der Titelmelodie der gleichnamigen Sendereihe des WDR). Seine bekannteste Oper Untergang der Titanic ist komplett dokumentiert, sogar ein Foto, das ihn mit Edwina Mackenzie, einer der letzten Überlebenden der Titanic, zeigt, ist erhalten. Die Arbeit über die Jungfernfahrt und den Untergang des Luxusliners, 1979 als politisches, sozialkritisches Zeitstück mit außerordentlichem, auch internationalem Erfolg für die Opernbühne realisiert (Winfried Bauernfeind, Regie; Martin Rupprecht, Bühnenbild; Uraufführung an der Deutschen Oper, Berlin), hat bis heute nicht an Brisanz verloren. In einer differenzierten Collage-Technik werden Ideen der Musik des beginnenden 20. Jahrhunderts aufgegriffen, von Volkslied und Operette, über Jazz bis hin zur Zwölftonmusik und Elektronik. Die Bühne als Repräsentationsort wird durch verschiedene Spielorte inner- und außerhalb des Operngebäudes ersetzt, die Mitwirkung des Publikums als Passagiere der Titanic ist vom Komponisten konzeptionell angelegt.
Hervorzuheben sind die vollständig erhaltenen Kalender, die Siebert seit den 1950er Jahren bis zu seinem Tod führte, darin verzeichnete er sämtliche Arbeitskontakte, Aufführungen und Termine; sie bilden heute sein über die Jahrzehnte gewachsenes künstlerisches Netzwerk ab. Zeitungsrezensionen, Berichte, Fotos verschiedener Aufführungen sowie eine umfangreiche Korrespondenz gewähren umfassende Einblicke in sein Leben und Werk. Der Nachlass des bedeutenden Repräsentanten der Berliner Musikszene wird nun im Archiv der Akademie aufgearbeitet, um ihn einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen zu können.
Für Rückfragen: Karin Santos, Archiv Darstellende Kunst der Akademie der Künste; Tel. 030 20057-3236, santos@adk.de