19.9.2012, 11 Uhr
Zukunftsforum Urheberrecht des Bundesministeriums der Justiz
am 19.09.2012 in der Akademie der Künste
Grußwort des Akademiepräsidenten Klaus Staeck und Link zur Videodokumentation der Veranstaltung
Das von Akademiepräsident Klaus Staeck und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser -Schnarrenberger eröffnete Zukunftsforum widmete sich einem dauerhaften, modernen und verständlichen Urheberrecht. Auch im Zeitalter der Digitalisierung müssen die Rechte der geistigen Urheber geschützt werden. Sie stehen ebenso wie Nutzer und Werkvermittler vor neuen Herausforderungen.
Videodokumentation
Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Damen und Herren,
die grundsätzlichen Fragen des Urheberrechts und seiner Reformbedürftigkeit in Zeiten des digitalen Wandels sind an einem Ort wie der Akademie der Künste naturgemäß drängend. Das Thema ist vielschichtig und komplex. Der bisherige Verlauf der Debatte hat gezeigt, wie groß die Gräben und die Interessenskonflikte sind. Dennoch duldet die Beantwortung dieser drängenden Fragen keinen Aufschub und erst recht keine Verschleppung – denn wenn es ums Urheberrecht geht, geht es immer auch um ein hart erkämpftes Menschen- und Freiheitsrecht, das Recht aufs geistige Eigentum. Jegliches professionelles Kunstschaffen braucht verlässliche Rahmenbedingungen für Produktion und Vertrieb. Das Urheberrecht ist kein lästiges Hindernis, sondern Voraussetzung für die Existenzsicherung und die Erhaltung der schöpferischen Autonomie. Es garantiert die freie Entfaltung der Gesellschaft auch im digitalen Zeitalter.
Die Mitglieder der Akademie der Künste sind verunsichert, weil der schon lange erwartete „Dritte Korb“ nicht in Sicht ist. Die Problemfelder, die es zu bestellen gilt, sind bekannt: Es zeichnet sich durch Vorlage des Entwurfs einer EU-Richtlinie zwar eine Lösung für das Problem der „verwaisten Werke“ ab, diese Lösung fällt aber weit hinter die in Deutschland gemeinsam von Bibliotheken, Verlagen und Verwertungsgesellschaften erarbeiteten Vorschläge zurück. Nachbesserung ist hier unbedingt erforderlich.
Ein weiteres Thema ist die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Texten im Internet. Die lange Diskussion um „Open Access“-Modelle blieb bisher ohne Ergebnis. Dabei darf in dieser Frage längst als erwiesen gelten, dass der Nutzen für Wissenschaft und Forschung die befürchteten Einnahmeausfälle von Verlagen weit übersteigt.
Stattdessen soll es jetzt das Presse-Leistungsschutzrecht geben, das sich als viel zu eingeschränktes Einzelgesetz gegen den Internet-Giganten Google entpuppt hat. Die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger haben kaum etwas von diesem Lösungsansatz, welcher der von ihnen als problematisch empfunden Situation gerecht werden soll. Durch das Leistungsschutzrecht ist der eigentliche Konflikt nicht in den Griff zu bekommen: Die Verlage sind nach wie vor damit konfrontiert, dass ihre Inhalte im Netz nicht in ausreichendem Maß vergütet werden. Dieses Gesetz wird das Geschäftsmodell der Verlage nicht retten.
Auch das Urhebervertragsrecht ist dringend reformbedürftig. Vor allem für unsere Mitglieder in der Sektion Film- und Medienkunst stellt es ein Problem dar, dass die Urheber nach wie vor gezwungen sind, all ihrer Rechte abzutreten, während die Gewinnbeteiligungen zurückgehen. Die per Gesetz vorgesehenen Vereinbarungen von Vergütungsregelungen sind in den wichtigen Bereichen für die Urheber nicht durchsetzbar. Dies führt zu Frust und zu Ablehnung des entsprechenden Gesetzes.
Der Handlungsbedarf ist sicher mit am größten dort, wo horrende Summen nicht fließen können, weil sie aufgrund der vielen Prozesse, die sich über Jahre erstrecken, aufgehalten werden: Im Bereich der privaten Vervielfältigung durch Computer, Memo-Sticks und digitale Geräte muss dringend das Verfahren zur Aushandlung der Vergütungen verbessert werden. Ein Vergütungsvolumen von ca. 300 Millionen Euro pro Jahr kann nicht erschlossen werden, weil das Gesetz, das seit 2008 in kraft ist, nicht richtig funktioniert. Der Fluss der Rechte muss gangbar gemacht werden, damit diese riesige Summe nicht weiter brach liegt. Dazu gehört wohl auch ein gewisser Druck auf die Industrie, ohne den sich nicht viel bewegen wird.
Die Mitglieder der Akademie der Künste sind verunsichert, weil das Urheberrecht zunehmend nicht nur von den Piraten, sondern auch von Vertretern etablierter Parteien infrage gestellt wird – etwa durch die Forderung nach Verkürzung der Schutzfristen. Selbst die Urheberpersönlichkeitsrechte am Werkoriginal stehen durch die Vorarbeiten der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestags zur Disposition.
Ein glaubwürdiges und unumstrittenes Urheberrecht der Zukunft muss aus Sicht der Kreativen realisierbare Geschäftsmodelle entwickeln helfen, welche Erträge garantieren. Dazu gehört auch, dass das Mitspracherecht der Urheber gegenüber den Rechteverwertern gestärkt wird. Gleichzeitig ist es erforderlich, auch die Verbraucher als Nutzer „mitzunehmen“, also das Gesetz so zu erläutern, dass sich ihnen der Sinn der urheberrechtlichen Regelungen erschließt. Wie wichtig das ist, haben wir an der Protestaktion gegen das internationale Abkommen „ACTA“ gesehen, die in weitem Umfang auch auf mangelnde Transparenz und Information zurückging. Bis zu einem gewissen Grad zeugen auch die ersten Reaktionen gegen das Presse-Leistungsschutzrecht von diesem fehlenden Verständnis.
Was wir benötigen, ist eine klare Stellungnahme zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Urheberrechts. Das Urheberrecht muss unter den Maßgaben der digitalen Produktions- und Verbreitungsbedingungen konsequent weiterentwickelt werden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine produktive und ergebnisorientierte Tagung, die uns dem von allen Seiten immer wieder angemahnten Ziel ein Stück näherbringt.
(es gilt das gesprochene Wort)