Lutz Dammbeck

Sonntag, 11.September 2011, 17 und 20 Uhr Pariser Platz, Plenarsaal

 

Archiveröffnung, Film und Lesung
Lutz Dammbeck: „Die Schubladen in den Archiven schienen leer …“

 

Der 1948 in Leipzig geborene Grafiker, Maler, Filmemacher und Kollwitz-Preisträger Lutz Dammbeck hat 2011 wesentliche Teile seines Archivs an die Akademie übergeben. Den Kern des Bestandes bilden die Unterlagen zu Mediencollagen und Filmen wie „La Sarraz“ (1984), „REALFilm“ (1986), „Zeit der Götter“ (1992), „Dürers Erben“ (1996), „Das Meisterspiel“ (1998) und „Das Netz“ (2003). Sowohl seine bildkünstlerischen und filmischen Arbeiten als auch sein Archiv thematisieren das Verhältnis von Kunst, Macht und Ideologie. Dieses Gesamtkunstwerk - ein Medienprojekt aus Malerei, Collagen, Installationen und Filmen - erregte seit Anfang der 1980er Jahre als „Herakles Konzept“ große Aufmerksamkeit. 1986 verließ Lutz Dammbeck die DDR. Er lebt und arbeitet seitdem in Hamburg.

17 Uhr. „Das Netz“ (2003), Film von Lutz Dammbeck

 

20 Uhr. Lesung und Gespräch mit Lutz Dammbeck und Saskia Walker. Einführung Michael Krejsa

Zur Archiveröffnung um 20 Uhr liest Lutz Dammbeck bisher unveröffentlichte biografische Texte, die 2012 unter dem Titel „Besessen von Pop“ (Edition Nautilus) erscheinen werden. Der Künstler und die Regisseurin, Autorin und Mitherausgeberin der Zeitschrift “Revolver”, Saskia Walker, stellen Dammbecks Arbeit unter dem Aspekt „Sammeln, Archivieren. Vergessen.“ vor. Michael Krejsa führt in den neuen Archivbestand ein.

In den Vitrinen des „Archivfensters“ auf der Brücke des Foyers im Pariser Platz 4 - werden vom 1. August bis zum 30. Oktober 2011 - Materialien und Filme aus dem Lutz-Dammbeck-Archiv vorgestellt. 

 

       

 

 

 

 

Die Filme

ZEIT DER GÖTTER, 1992
Dokumentarfilm, 16mm, 92’ min.
Buch und Regie: Lutz Dammbeck
Fachberatung: Eckhart Gillen, Hans Peter Litscher, Wolfgang Schäche
Sprecher: Christian Brückner, Otto Sander
Kamera: Niels Bolbrinker, Eberhard Geick, Thomas Plenert
Produktion: Lutz Dammbeck Filmproduktion

Lutz Dammbeck, Zeit der Götter
  
Auszug aus dem Presseheft des Sputnik Filmverleihs zum Film - Synopsis, 1992:  „Er schuf Porträts von Joseph Goebbels und Jean Cocteau, von Adolf Hitler und Haile Selassie, von Bundeskanzler Erhard und Ezra Pound. Er war eine der großen Hoffnungen der deutschen Bildhauerkunst in den 20er Jahren. Der Jude Max Liebermann holte Arno Breker aus Paris nach Berlin zurück, wo ihn Hitler zu seinem Leibbildhauer machte. Fortan war Breker ausschließlich damit beschäftigt, dem faschistischen Größenwahn vom arischen Übermenschen eine künstlerische Form zu geben. Hitler brauchte ihn und Breker ließ sich gebrauchen.

In der DDR wurde er als Ausdruck einer ‚lächerlichen Periode’ verschrottet, im Westen erlebte er eine Renaissance in einem ‚Schattenreich’.

Wann gerät ein Talent in die Abhängigkeit von Macht? Wo verläuft (auch heute) die feine Grenze zwischen Machtopportunismus und Autonomie der Kunst?

Fragen, denen Lutz Dammbeck in seiner ‚Fallstudie Breker’ nachgeht, anhand seiner Arbeitsmethoden und anscheinender Nebensächlichkeiten, anhand von Zeitzeugen wie Jean Marais und Ernst Jünger.“


DÜRERS ERBEN, 1996
Dokumentarfilm, 16mm, 58’17’’ min.
Buch und Regie:Lutz Dammbeck
Fachberatung: Eckhart Gillen, Henry Schumann
Sprecher: Wolf-Dietrich Sprenger
Kamera: Eberhard Geick, Thomas Plenert
Produktion: Lutz Dammbeck Filmproduktion

Lutz Dammbeck, Dürers Erben

Auszug aus dem Drehbuch zum Film - Einleitungstext von Lutz Dammbeck, 1996: „ ‚Es lässt sich gröber und genauer nicht sagen: In der DDR wird deutscher gemalt....’ befand der Schriftsteller Günter Grass anerkennend Anfang der 80er Jahre. Der Fall der Mauer hat nun die Möglichkeiten eröffnet, Bilder und Maler der verblichenen DDR näher zu betrachten. Die Bilder, zunächst ins Depot verbannt, werden heute hervorgeholt und sind wieder im Angebot.

Ehemalige ‚Staatsmaler’ verkaufen sich besser als zu DDR-Zeiten. Es gibt wieder einen Markt für diese Bilder und Biographien. Wo knüpft diese Malerei an, und welche Traditionen werden da beschworen? Welche Sehnsüchte einflussreicher Rezensenten, Sammler und Mäzene werden da gestillt?

Ein Bild aber steht heute noch in Depot.

Ein Gruppenbild zeigt bekannte wie unbekannte Maler, damals anscheinend eine Gruppe. Was verbindet ehemalige ‚Malerfürsten’ der DDR wie Werner Tübke oder Bernhard Heisig mit dem heute vergessenen Maler Heinrich Witz? Das Bild entstand Anfang der 60er Jahre in Leipzig als der Aufstieg der Maler begann. Leipzig war das Versuchs- und Experimentierfeld für einen ‚neuen deutschen Realismus’ unter sozialistischen Vorzeichen nach 1945. Hier stand mit der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst der ‚Gral’ des sozialistischen Realismus. Der Film reflektiert diese Entwicklung bis zum Bau der Mauer am 13. August 1961 in Berlin. Aus Gesprächen mit Malern wie Werner Tübke und Bernhard Heisig, mit Kultur- und Parteifunktionären der SED wie Sonja Kurella und Hans Lauter, ergänzt durch Archivmaterial und inszenierte Diskurse, entsteht eine filmische Struktur, die der engen Verzahnung und Überlagerung von individueller Biographie, Kunstgeschichte und Zeitgeschichte nachgeht.

Dabei  werden Muster von Auseinandersetzungen und Debatten um eine ‚neue deutsche Kunst und Malerei’ sichtbar, die bis an den Anfang diese Jahrhunderts zurückreichen, seither unter verschiedenen politischen Systemen ihr Comeback hatten und heute wieder ihre aktuelle Entsprechung finden.“


HERAKLES, 1984-2008
Videoclip, VHS/Digibeta, 10’25’’ min.
Szene, Regie und Schnitt: Lutz Dammbeck
Kamera:    Klaus Freymuth
Produktion:   Lutz Dammbeck Filmproduktion
Online-Bearbeitung VHS-Originaltape:  Sebastian Bluhm (avt media service, Hamburg)

Lutz Dammbeck, Herakles Projekt, ab 1980

Hintergrund:
Anfang der 80er Jahre beginnt Lutz Dammbeck mit der Arbeit am HERAKLES KONZEPT. Sein Drehbuch für den Experimentalfilm HERAKLES wird im Dresdener DEFA-Studio für Trickfilme eingereicht und im Februar 1984 vom Ministerium für Kultur der DDR endgültig abgelehnt. So gibt es mehrere Fassungen des ursprünglich geplanten HERAKLES-Films, die Lutz Dammbeck später als Rauminszenierungen konzipiert. Diese als ‚Mediencollagen’ bezeichneten Aufführungen verbinden Film, Fotografie, Malerei, Musik und Tanz miteinander, ohne dabei die Grenze zum Theater zu überschreiten. Die multimedialen Darbietungen werden unter den Namen LA SARRAZ, HERAKLES und REALFILM in verschiedenen Städten wie Berlin, Dresden, Hamburg, Leipzig und Karl-Marx-Stadt zwischen 1984 und 1988 gezeigt. Lutz Dammbeck waren dabei der Unikatcharakter und die Unwiederholbarkeit der Vorgänge wichtig.

Im Januar 1984 finden erste Filmaufnahmen von Proben mit der Tänzerin Fine Kwiatkowski im inoffiziell betriebenen Ost-Berliner ‚Aktionsraum Sredzkistraße’ im Prenzlauer Berg statt, die mit einer VHS-Kamera aufgezeichnet werden. Sie waren zunächst noch für den Experimentalfilm gedacht und wurden später für die Mediencollagen verwendet. Das dabei entstehende ‚Herakles-Band’ wird später mit einer 16-mm-Kamera von einem Fernsehapparat abgefilmt.

Auszug aus: Peter Guth: „La Sarraz Aktionsabend von Lutz Dammbeck“, Sächsisches Tagesblatt, 4.7.1984 „…Der auf der Bühne agierende Mensch (FINE)…  führt vor, wie ein Teil des deutschen Volkes vom Faschismus  (symbolisiert durch die Figuren des Nazi-Bildhauers Breker) verblendet wurde …  und wie es ihm schließlich gelingt, sich aus den Klauen des Faschismus zu befreien (Zerstörung des Turmes). Das Gefangensein in der Pyramide deutet an, dass der Mensch mit dieser einen Befreiung nicht aller Gefahr entronnen ist. In der letzten Filmsequenz nimmt Dammbeck vorweg, dass auch diese Gefahren zu bannen sind (Befreiung aus der Pyramide); auf der Bühne – in der Realität – sieht Dammbeck die Situation klar: ‚Wir leben in einer noch gefährdeten Zeit … Das Unbehagen wird hier körperlich ...’ “

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