Fünf Jahrzehnte zeitgenössisches Theater Archiveröffnung Schaubühne

Gespräch

Die Berliner Schaubühne, 1962 am Halleschen Ufer gegründet, seit 1981 am Lehniner Platz ansässig, gehört zu den wichtigsten europäischen Theatern der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit. 50 Jahre nach der Gründung hat der langjährige Leiter Jürgen Schitthelm das Schaubühnenarchiv der Jahre bis 1999 dem Archiv der Akademie der Künste übergeben, wo es für die Nutzung aufbereitet wurde. Die Akademie stellte das Archiv nun der Öffentlichkeit mit einer Matinee-Veranstaltung vor. Teilnehmer sind neben Jürgen Schitthelm auch der aktuelle künstlerische Leiter Thomas Ostermeier, die Schauspielerin Tina Engel, Ensemblemitglied über eineinhalb Jahrzehnte, sowie Sabine Ganz, die das Archiv zu Beginn der 1970er Jahre angelegt und lange geführt hat. Es moderiert der Journalist Gerhard Jörder.

Sonntag, 21.9.2014

11 Uhr

Hanseatenweg

Studio

Gespräch mit Jürgen Schitthelm, Thomas Ostermeier und Ensemblemitgliedern, Moderation Gerhard Jörder.

€ 5/3

Dokumentation

Begrüßung: Wolfgang Trautwein, Direktor des Archivs der Akademie der Künste

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Akademie der Künste schmückt sich gerne (und auch zu Recht) damit, das bedeutendste Archiv zum Theater des 20. und 21. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum zu betreuen. Dabei bildet natürlich Berlin einen Schwerpunkt mit besonders reichen Beständen. Die vielen Schauspielerarchive von der Bergner über Granach, Minetti, Schall, Wildgruber oder Gert Voss lasse ich beiseite, ebenso die Bühnenbildner und die Theaterkritiker. Ein paar unserer Archive der Regisseure und Theaterleiter seien aber genannt. Brahm, Jessner und Piscator stehen fürs erste Drittel des 20. Jahrhunderts. Der Übergang ins Exil u. a. mit Leopold Lindtberg, Leonard Steckel, beim Musiktheater Carl Ebert, ist fließend. Vertreten sind auch in Deutschland Gebliebene wie Fehling, Hilpert und Heinrich George. In der DDR dann u. a. Brecht, Wolfgang Langhoff, Wisten, Felsenstein, Besson, Berghaus, Konwitschny, in Westberlin Barlog, Lietzau, Fritz Kortner, Kurt Hübner, Götz Friedrich. Die Übergänge ins vereinte Berlin sind fließend: Thomas Langhoff, Heiner Müller, Freyer, Schleef, Palitzsch, Ivan Nagel, Grüber, Tabori, Zadek.
Bei diesen Aufzählungen blieb für mich - als in den 70er Jahren zugereister Archivdirektor  – immer eine große Lücke: die Schaubühne. Dass sie gefüllt ist und unsere Dokumente zur Berliner und deutschen Theatergeschichte nunmehr wesentlich vollständiger sind, dankt die Akademie der Künste Jürgen Schitthelm. Der Mitbegründer der Schaubühne hat sein Haus 50 Jahre hindurch als Gesellschafter und Direktor zusammengehalten und auch für das Archiv gesorgt. Daß es in einem so guten Zustand auf uns gekommen ist, verdanken wir konkret der langjährigen Betreuung durch Sabine Ganz, die nachher auch im Gespräch mitwirkt. Vor zwei Jahren übergab uns Jürgen Schitthelm – großzügig und diskret - den umfangreichen, großartigen Bestand von 80 laufenden Regalmetern Material als Schenkung, das wir heute – am 52. Jahrestag der ersten Schaubühnenpremiere eröffnen. Recht herzlichen Dank! –  Es handelt sich um Regie-, Soufflier- und Inspizientenbücher, Videoaufzeichnungen, umfangreiches dramaturgisches Material inklusive der berühmten, aber weiterhin gesperrten Proben- und Leitungsprotokolle der Ära Stein, eine umfangreiche Kritiken-  und vor allem auch eine große Fotosammlung. All diese Materialien umfassen aktuell den Zeitraum 1962 bis 1999. Wir haben darüber hinaus die gute Aussicht, dass auch die späteren Spielzeiten Eingang in unser Archiv finden werden.

Unter der Ägide des fürs Archiv Darstellende Kunst zuständigen Abteilungsleiters Stephan Dörschel hat mein Kollege Rudolf Mast inzwischen die 80 m Material weitgehend verzeichnet. Er hat die Vitrinen im Foyer gestaltet, diese Veranstaltung vorbereitet, und ich danke ihm auch für die nachfolgende 12 minütige, vom Kollegen Uwe Ziegenhagen technisch betreute Einspielung.

Aus einer Außenperspektive – das Archiv schaut ja stärker nach innen - ist die Geschichte der Schaubühne gut dokumentiert. Das Theater selbst hat zum 25-, 40- und 50jährigen Bestehen Bücher veröffentlicht, die die Eingeweihten unter Ihnen sicher kennen. Was aber kaum bekannt sein dürfte, eine Rarität, hat Rudolf Mast einem unserer Kritikerarchive entnommen und mit Dokumenten aus dem Schaubühnenarchiv verknüpft, Friedrich Lufts „Stimme der Kritik“ zum seinerzeitigen 25jährigen Jubiläum. Viel Vergnügen bei dieser archivarischen Einführung ins Thema. Die anschließende Gesprächsrunde leitet der Autor und Kritiker Gerhard Jörder. Teil nehmen Tina Engel, Sabine Ganz, Thomas Ostermeier und Jürgen Schitthelm.

Ich wünsche uns ein anregendes Gespräch.

Wolfgang Trautwein, Berlin, 21.09.2014