10.2.2017, 16 Uhr
Ellen Kobes Installation
DAS GÄSTEZIMMER
DAS GÄSTEZIMMER ist eine partizipative Rauminstallation. Es versteht sich als Motiv, das vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlings-problematik den Wunsch nach einem Ort der Zugehörigkeit und Geborgenheit verlebendigt.
Die Möblierung entsteht gemeinsam mit den Menschen vor Ort durch Schenkung oder Leihgaben. Ich bitte Personen in der jeweiligen Region, Möbel und Objekte (Bett, Tisch, Stuhl, Schrank, Lampe, Gardine, Buch oder Porzellan) zur Verfügung zu stellen. Es geht um Dinge, die mit der Geste des Gebens eine Alternative zum konventionellen Privateigentum entwerfen. Jedes Objekt erhält Wertschätzung durch Zuordnung und Bezeichnung. Die Herkunft der Dinge wird in einem Text, der gleichzeitig als „Ausstellungsführer“ durch die Rauminstallation dient, veröffentlicht und als „Raumerzählung“ fortgeschrieben.
Jeder Gast kann Teil des Bildpersonals dieser Inszenierungen werden. Die Gäste sind aufgefordert, mit ihren verkörperten Erfahrungen diesen Raum nicht nur zu besuchen, sondern auch zu verändern. Sie können mit ihren Interventionen den Raum überschreiben und auf die Situation antworten, durch das Besuchen als künstlerische Handlung ihre Spur, ihre Handschrift in diesem tableau hinterlassen. Die Transformation geschieht durch die Beschäftigung mit der Rauminstallation als offenem Gestaltungsraum, auf den sie in ihrer eigenen Sprache als Teil eines Gesamtkunstwerkes antworten: mit Malerei, Foto, Video, Zeichnung, mit einem Kommentar, einer Collage, einem Gedicht.
DAS GÄSTEZIMMER wird während der Ausstellungszeit zum Bühnenbild eines tableau vivant, einem Theater der Aktionen, welches sich in verschiedenen Dramaturgien durch die Interventionen der eingeladenen Gäste verändert.
DAS GÄSTEZIMMER hat sich zu einer Reihe von Interventionen an verschiedenen Orten entwickelt und soll ein europaweites vergleichendes Panorama eröffnen. Im Spannungsfeld der evozierten Räume entsteht durch die gedankliche Verbindung der verschiedenen Orte eine alternative Kartografie gemeinsamer Ökonomien. 2015 habe ich als Stipendiatin der Akademie die Installation LA CAMERA DEGLI OSPITI im Castello di Colonna als partizipatives Projekt mit den Bewohnern des Bergdorfes Olevano Romano (Italien) realisiert.
In Zusammenarbeit mit dem Vermittlungsprogramm KUNSTWELTEN der Akademie wurde das Projekt im Jahr 2016 in der ehemaligen Essenzen-Fabrik Zerbst und im Demokratiebahnhof Anklam realisiert.
Am 11. Juli 2016 fand das GASTMAHL IM FREIEN im Rahmen der Ausstellung „U-Bahnhof Bundestag Berlin 2016/ Europa“ auf der Freifläche zwischen Kanzleramt, Schweizer Botschaft und Bundestag in Berlin statt.
In Zusammenarbeit mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg habe ich 2008 erstmals in der Geschichte der Stiftung eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst mit zwanzig internationalen Künstlerinnen und Künstlern am historischen Ort kuratiert. NEUE KUNST IN DEN NEUEN KAMMERN! fand im Sommergästeschloss Friedrichs des Großen in Potsdam Sanssouci statt.
Seit der Installation SCHLAFGAST in einer leerstehenden Berliner Ladenwohnung im Jahr 2000 setzt sich das Thema des Gästezimmers in meinem Werk fort.
Text von Ellen Kobe
Über Ellen Kobe: In ihrer Berufspraxis als Künstlerin, Kunstvermittlerin und Kuratorin arbeitet Ellen Kobe seit 16 Jahren performativ im öffentlichen Raum, in partizipatorischen Projekten und ortsbezogenen Interventionen, vor allem mit zeitgenössischer Kunst an historischen Orten. Mit dem Interesse an Kontextverschiebungen greift sie in prekäre soziale Strukturen ein, nutzt bereits existente Räume, Materialien und Objekte und versucht durch zum Teil minimale Umdeutungen, Perspektivwechsel zu initiieren. Kobe untersucht und interpretiert Orte und soziale Kontexte, wobei es auch um das Selbstverständnis von künstlerischer Existenz und Produktion vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Prozesse geht. In der Planungsphase arbeitet sie mit Zeichnungen und Collagen. Kernstück sind die Rauminstallation und die Performance, wobei sich künstlerische und kuratorische Arbeit überlagern, indem sie wiederum Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Projekten einlädt.