28.9.2017, 10 Uhr

5 Fragen an die Klangkünstlerin Kirsten Reese zum Festival KONTAKTE '17

Vom 28.9. bis 1.10.2017 findet an der Akademie am Hanseatenweg die Biennale für Elektroakustische Musik und Klangkunst, KONTAKTE '17, statt. Ein Gespräch mit der Komponistin und Klangkünstlerin Kirsten Reese, deren Werk „Atmende Kugel, atmende Welt“ beim Festival uraufgeführt wird.

 

Frau Reese, das Festival KONTAKTE findet nach 2015 zum zweiten Mal statt. Was erwartet die Besucher in den kommenden vier Tagen? 

Kirsten Reese: Es ist ein sehr vielfältiges Programm, das abbildet, was aktuell in der elektronischen Musik und in der zeitgenössischen Komposition stattfindet: von der installativen Seite über computerorientierte Kompositionsprozesse bis hin zum Zusammenspiel von Elektronik und Performancesituationen. Diese Vielfalt ist extrem spannend

Was sind Ihre persönlichen Highlights beim diesjährigen Festival?

Kirsten Reese: Beim Abschlusskonzert, bei dem die Lautsprecherkugel von Hermann Scherchen im Mittelpunkt steht, bin ich persönlich beteiligt. Dass dieses wirklich wundersame Instrument bei KONTAKTE wieder erklingt, finde ich phantastisch. Auch die Klanginstallation von Christina Kubisch setzt sich mit dem außergewöhnlichen Menschen Hermann Scherchen auseinander. Daneben gibt es ein Lautsprecherorchesterkonzert von der Hochschule für Musik und der Universität der Künste bei dem Studierende gemeinsam mit Wolfgang Heiniger ihre Arbeiten vorstellen. Ein weiteres Highlight sind für mich die Konzerte und Panels der DEGEM, der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik. Hier steht das Gespräch über die zeitgenössische Musik im Mittelpunkt. Gerade Besuchern, die bisher vielleicht weniger Kontakt mit dieser Musikrichtung gehabt haben, bieten sich hier neue Zugänge.

Das Festival sieht sich auch als Tor zur Berliner Musikszene. Inwiefern?

Kirsten Reese: Berlin ist im Bereich der zeitgenössischen Musik seit Langem ausgesprochen gut aufgestellt, aber in den letzten Jahren ist diese Position noch stärker geworden. Das spiegelt sich auch im Programm von KONTAKTE wider, im Grunde ist alles, was Rang und Namen hat, vertreten: Les Femmes Saventes, die Hochschulen, Hanna Hartman, Christina Kubisch und viele mehr. Aber es bleibt natürlich ein internationales Festival mit Gästen aus der ganzen Welt.

Auf welche internationalen Gäste freuen Sie sich besonders?

Auf das Staatliche Studio für Elektroakustische Musik aus Havanna, auf José María Sánchez-Verdú, José Manuel Berenguer, Luca Frei, Humberto Díaz und andere.

Neben Konzerten und Klanginstallationen zeigt KONTAKTE auch eine Ausstellung der Künstlerin Johanna Diehl. Wie genau passt das zum Festival?

Kirsten Reese: Besonders interessant in der elektronischen Musik ist, dass sie sich einerseits immer der neuesten Technik bedient und die technologische Entwicklung genau verfolgt. Andererseits findet auch häufig eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Genres und seiner Medien statt: Musiker benutzen alte elektronische Instrumente oder Abspielgeräte. Und auf einmal wirken diese „alten“ Sachen gar nicht mehr aus der Zeit gefallen. „Das imaginäre Studio“ von Johanna Diehl beschäftigt sich mit Apparaturen elektronischer Studios der Nachkriegszeit in Deutschland und Frankreich. Selbst wenn einiges aus den 1950er- und 1960er-Jahren heute antiquiert wirkt, so erkennt man doch immer noch diesen ungebrochenen Blick in die Zukunft, den es damals gab und den wir heute in dieser Form nicht mehr besitzen, weil wir eben auch die schlechten Seiten des technologischen Fortschritts erkannt haben. Aber sich diese Fortschrittshoffnungen und utopischen Entwürfen, die mit den alten Instrumenten und Apparaturen verbunden sind, zu vergegenwärtigen, finde ich sehr spannend.

Interview: Akademie der Künste

Kirsten Reese, geboren 1968 in Kiel, studierte Flöte, elektronische Musik und Komposition in Berlin (Hochschule der Künste, Technische Universität) und 1992/93 in New York. Als Komponistin und Klangkünstlerin komponiert und produziert sie Werke für elektronische Medien und Instrumente sowie intermediale und interaktive Installationen. Seit 2005 unterrichtet sie elektroakustische Komposition an der Universität der Künste Berlin.

Für KONTAKTE '17 hat Kirsten Reese die Auftragsarbeit „Atmende Kugel, atmende Welt“ komponiert, die im Rahmen des Konzerts  „Widerspiel“ am 1.10.2017 uraufgeführt wird.