20.5.2021, 09 Uhr
„Ein jeder Zuschauer zahlt beym Eingang 8 Groschen, die Damen bezahlen nichts.“
Die erste Ausstellung der Berliner Akademie der Künste 1786
© Akademie der Künste
Die Einrichtung regelmäßiger Ausstellungen gehörte zu den bedeutsamen Neuerungen, die im Zuge der Akademiereform Ende des 18. Jahrhunderts auf Betreiben von Daniel Chodowiecki und Staatsminister Anton von Heinitz beschlossen worden sind. Nach dem Beispiel der Pariser Künstlersozietät sollten sie das allgemeine Interesse am Kunstgeschehen in Preußen beleben und zur „Verbreitung des guten Geschmacks“ beitragen.
„Die königlich preußische Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften wird am 20. diesen Monats ihre öffentlichen Ausstellungen von Kunstwerken anfangen“, war im Mai 1786 in den Berliner Zeitungen zu lesen. Der Preis für den gedruckten Katalog, der gleichzeitig als Eintrittskarte diente, folgte einem Vorschlag des damaligen Rektors Daniel Chodowiecki: „Ein jeder Zuschauer zahlt beym Eingang 8 Groschen, die Damen bezahlen nichts.“
Die Einrichtung regelmäßiger Ausstellungen gehörte zu den bedeutsamen Neuerungen, die im Zuge der Akademiereform Ende des 18. Jahrhunderts auf Betreiben von Daniel Chodowiecki und Staatsminister Anton von Heinitz beschlossen worden sind. Nach dem Beispiel der Pariser und Dresdener Künstlersozietäten sollten sie das allgemeine Interesse am Kunstgeschehen in Preußen beleben und zur „Verbreitung des guten Geschmacks“ beitragen.
Während die Pariser Salons den Werken ihrer Mitglieder vorbehalten waren, herrschte in den Berliner Ausstellungen eine eher demokratische Gesinnung. Hier wurde allen Interessierten, einheimischen wie auswärtigen Künstlern, die Möglichkeit geboten, ihre Werke öffentlich zu präsentieren und zum Kauf anzubieten. Demzufolge war ein breites Spektrum an Kunstschaffenden vertreten, das von Akademieschülern über die sogenannten Dilettanten bis zu namhaften Künstlern reichte. Schwerpunkte bildeten Werke der Malerei, Grafik und Bildhauerkunst. Das Konzept der Verkaufsausstellung trug im Verlauf des 19. Jahrhunderts wesentlich zur Ausbildung eines Berliner Kunstmarktes bei, was insbesondere jenen Künstlern zugute kam, die weder durch Stipendien noch Aufträge gefördert wurden. So gelang es Carl Blechen mit dem Verkauf seines 1828 ausgestellten Gemäldes Semnonenlager (heute verschollen), die notwendigen Mittel für die ersehnte Italienreise zu erhalten.
Im Unterschied zur Dresdener Kunstakademie wurden in Berlin von Anbeginn gedruckte Kataloge herausgegeben. Die heute seltenen Verzeichnisse enthalten genaue Angaben über die beteiligten Künstler und ihre ausgestellten Werke. Die Vorworte unterrichten über das akademische Geschehen, Erwerbungen für die Akademie-Sammlung sowie über neue Mitglieder und Preisträger. Durch diese Angaben bilden die Kataloge eine wertvolle Quelle für die kunsthistorische Forschung.
Die zwischen 1786–1943 im Abstand von ein bis zwei Jahren stattfindenden Ausstellungen der Berliner Kunstakademie entwickelten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem regelrechten Publikumsmagneten. Als gesellschaftlicher Begegnungsort boten sie dem aufstrebenden Bürgertum ein offenes und kritisches Forum, in dem Künstler, Kenner und interessierte Laien in direkten Austausch miteinander treten konnten. Bis auf wenige Ausnahmen waren die Ausstellungen der zeitgenössischen Kunst gewidmet und wurden somit zum Spiegel aktueller Strömungen. 1810 waren erstmals zwei großformatige Werke von Caspar David Friedrich in Berlin zu sehen, die für Aufsehen sorgten und Heinrich von Kleist zu einer denkwürdigen Rezension in den Berliner Abendblättern veranlassten. Die ausgestellten Gemälde Der Mönch am Meer und Abtei im Eichenwald wurden von König Friedrich Wilhelm III. angekauft und sind heute in der Alten Nationalgalerie in Berlin zu sehen.
Im Verlauf der Jahre stieg die Zahl der beteiligten Künstler und ausgestellten Werke stark an. Während 1786 nur 332 Exponate zu sehen waren, die in drei Räumen Platz fanden, füllte die Schau in den 1820er-Jahren bereits die ganze Flucht im ersten Stock des alten Marstalls Unter den Linden. Für die Ausstellung von 1836 verzeichnete die Zeitschrift Museum eine Rekordzahl von 111.954 Besuchern, die sich an 1.683 Werken vorbeidrängten. Für das Publikum hatten sich die Ausstellungen der Akademie nach nur 50 Jahren zu einem „Event“ ganz im Sinne der Gegenwart entwickelt, „wo sich jeder hindrängt, wenn auch nicht an Kunstsachen, so doch an den versammelten Menschen zu vergnügen.“ (Heinrich Gentz)
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verloren die akademischen Ausstellungen zunehmend an Bedeutung als Forum für aktuelle Strömungen. Durch den wachsenden Einfluss der Kunstvereine traten soziale und wirtschaftliche Faktoren in den Vordergrund. Während in den 1830er-Jahren künstlerische Innovationen noch als Auswahlkriterium galten, entwickelten sich die seit 1875 jährlich stattfindenden Präsentationen zu Massenveranstaltungen, die zwar dem konservativen Publikumsgeschmack entsprachen, innovativen Tendenzen aber keinen Raum boten. Die künstlerische Avantgarde formierte sich Ende des 19. Jahrhunderts außerhalb der Akademie. Einen Neuanfang brachte erst die Präsidentschaft Max Liebermanns nach dem Ersten Weltkrieg. Als Mitbegründer der Berliner Sezession setzte er sich für die Integration moderner Künstler und für strengere Maßstäbe hinsichtlich der Qualität der ausgestellten Werke ein.
Uta Simmons
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